Privatisierte Beteiligung: Die Veranstaltungen der Kurth-Gruppe entsprechen nicht dem versprochenen Verfahren zur RAW-Entwicklung. Es mangelt an Neutralität, Offenheit und Information. Das RAW-Stadtteilbündnis fordert den Bezirk auf, die frühzeitige Beteiligung mit einem eigenen Programm für das gesamte Gelände sicherzustellen.
Vorgaben des Eigentümers
Auf Grundlage der ersten Veranstaltung im Februar 2016 hat das ausführende Planungs-büro Jahn, Mack & Partner zwei Entwicklungsszenarien entworfen, die nun in einer zweiten Werkstatt ausgestellt und zumindest nominell zur Diskussion gestellt wurden. Die Werkstätten seien ein „Angebot des Eigentümers“, so Gerlinde Mack in der Begrüßung:
Statt fertige Pläne zu präsentieren, führe er eine „freiwillige frühzeitige Bürgerbeteiligung“ durch. Doch was in den folgenden drei Stunden durch Moderatoren, Experten und beteiligte Planungsbüros hauptsächlich zitiert wird, das sind die Vorgaben des Eigentümers: Eine große Grünfläche sei leider nicht möglich – Vorgaben des Eigentümers; der Kletterkegel als höchster Punkt sei leider nicht umsetzbar – Vorgaben des Eigentümers;
die dargestellte Baumasse könne nicht verändert werden – Vorgaben des Eigentümers usw. usf. Dagegen laufen diese Vorgaben deutlich den Zielen des 2014 beschlossenen Einwohner*innenantrags zum RAW und weiterer BVV-Beschlüsse zuwider (DS 1109/IV, DS 1056/IV, DS 1154-1/III, DS 2003/IV, DS 2037/IV).
Dokumentation und Diskussion
Bereits die erste Werkstatt wurde von Teilnehmer*innen und Bezirksverordneten stark
kritisiert. Die vom Planungsbüro erstellte Dokumentation der ersten Werkstatt fällt durch
die unvollständige, falsche oder fehlende Wiedergabe von Beiträgen auf. Interessen-gegensätze, beispielsweise hinsichtlich der Baumasse und der Flächennutzung, werden
nicht thematisiert. Dementsprechend war eine Weiterentwicklung der seit April 2015
bekannten Planungsideen der Kurth-Gruppe durch die Beiträge der geladenen Nutzer- und Anwohner*innen auch in den präsentierten Szenarien nicht erkennbar. Kritisiert wurde außerdem die fehlende Neutralität der Moderation. Zwar begleiteten in der zweiten Veranstaltung Vertreter*innen des Stadtteilbüro Friedrichshain die Moderation als Berichterstatter*innen, wodurch die Zusammenfassung der Arbeitstische ausgewogener wurde. Doch die Voraussetzungen sind problematisch: Das Planungsbüro entwarf im Auftrag der Kurth-Gruppe zwei Modelle und stellte sie zur Diskussion, wobei es die Diskussion selbst moderierte, die dadurch zur Rechtfertigung der eigenen Pläne geriet.
Die geladenen Expert*innen argumentierten für die Pläne, der vorgegebene Diskussions-spielraum wurde auf die Verteilung fertiger Bauklötze beschränkt. So entstand an den drei vorgesehenen Arbeitstischen oft eine Frontalsituation zwischen Moderator- und Experten*innen auf der einen und RAW-Akteuren auf der anderen Seite, ohne die
Vermittlung, die sich durch eine neutrale Gesprächsleitung ergibt.
Fazit
Insgesamt erfüllt der Kurth-Dialog nicht die Voraussetzungen einer repräsentativen Beteiligung (vgl. DS/0713/IV) und kann nicht der Sicherung von Planungsleitlinien dienen. Das Verfahren verläuft eigentümerzentriert und findet unter Ausschluss der Öffentlichkeitstatt. Neben der baurechtlichen Ausgangslage fehlen detaillierte Informationen bezüglich der Planung: Wurde eine Ist-Analyse des Geländes durchgeführt? Mit welchen Ergebnissen? Inwieweit werden Bedarfe des Stadtteils einbezogen? Unklar ist außerdem, wie es um die Planung auf den Geländeteilen steht, die nicht der Kurth-Gruppe gehören. Für die Zukunft des Stadtteils ist das RAW von wesentlicher Bedeutung, es kann nur gemeinsam mit dem Stadtteil entwickelt werden. Das RAW-Stadtteilbündnis fordert daher mehrere Fachgespräche zur Gesamtgelände-entwicklung unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit, die der Bezirk an Runden Tischen gemeinsam mit den Akteuren vor Ort erarbeitet. Die Finanzierung und Durchführung von Beteiligungsverfahren sind nicht Sache privater Investoren.
Hintergrund
Die Firma Kurth-Immobilien veranstaltete bisher 2 Werkstätten, um mit ausgewählten
Gästen vom RAW und der Umgebung die Bebauung und Gestaltung des RAW-Geländes zu
diskutieren. Das Stadtteilbündnis hat ein Vorbereitungs- und zwei Nachbereitungstreffen
zu den Werkstätten des Investors durchgeführt. Dabei wurden Mitglieder des Bündnisses,
die nicht eingeladen waren, über den Verlauf des Kurth-Dialogs informiert und die beiden
Veranstaltungen auch im Vergleich zu ähnlichen Beteiligungsprozessen diskutiert und
bewertet.
Die Grundlage der Bewertung bilden insbesondere die gefassten Beschlüsse zur RAW-
Entwicklung, dabei u. a. der Einwohner*innenantrag zum Erhalt des RAW als Kultur-
ensemble, Denkmalbereich und Erholungsgebiet (2014) sowie der BVV-Beschluss zur
Sicherung des Soziokulturellen Zentrums (2015). Auf der zweiten Werkstatt der Kurth
Gruppe organisierten die Nutzer*innen des Soziokulturellen L einen eigenen Arbeitstisch,
da die Soziokultur nach der Vorgabe des Eigentümers auf der ersten Werkstatt
ausgeklammert wurde. Der vierte Tisch thematisierte die Aufgaben und die städtebau-
lichen Voraussetzungen eines Soziokulturellen Zentrums innerhalb seines Stadtteils.
Das Stadtteilbündnis „RAW für den Kiez“ setzt sich aus stadtpolitischen Initiativen sowie
Kultur- und Nachbarschaftsvereinen aus Friedrichshain zusammen. Gemeinsam fordern
wir, dass sich die Entwicklung des RAW am Bedarf des Stadtteils orientiert. Dazu gehören:
eine offene Grün- bzw. Freifläche, die unabhängige Verstetigung des soziokulturellen
Zentrums, den Erhalt der städtebaulichen Eigenart des RAW sowie ein ergebnisoffenes
und demokratisches Beteiligungsverfahren.
Berlin, 15.06.2016
Stadtteilbündnis “RAW für den Kiez”